»Loab« und »Crungus«: Woher kommen die KI-Monster in Craiyon? (2024)

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Runzlige Lederhaut, zugequollene Augen und spitze Reißzähne: Der Crungus könnte einem Horrorfilm entsprungen sein. Doch unter diesem Namen gibt es keine entsprechenden Suchergebnisse: kein Wesen in einem Film, Roman oder Comicheft. Es ist neu erzeugt worden – von einer Software auf der Basis sogenannter künstlicher Intelligenz (KI).

Es war Zufall, dass der britische Künstler Guy Kelly die Buchstaben in einen Text-zu-Bild-Generator eintippte. Hat Kelly versehentlich einen Geheimcode gefunden?

Er war jedenfalls ziemlich verblüfft, als er die Kreatur im Juni erstmals auf seinem Bildschirm zu Gesicht bekam. Das Wort »Crungus« habe er selbst erfunden, schreibt der britische Comedian. Doch das schien dem Text-zu-Bild-Generator Craiyon, der früher Dall-E-Mini hieß, egal. Ganz ohne Google-Suchergebnisse zeichnete die Software eine Monstergalerie mit neun Crungus-Kacheln.

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Seither rätseln Nutzerinnen und Nutzer im Netz, woher dieses Monster stammt. Denn klar ist: Die Text-zu-Bild-Software muss auf Fotos zugreifen, die es bereits im Internet gibt. Craiyon wird mit knapp 20 Millionen Bildern aus dem Internet trainiert, um zum Beispiel den Außerirdischen E.T. ans Steuer eines Teslas zu setzen. Zum Crungus allerdings liefert das Trainingsarchiv keine Bildvorlagen mit entsprechendem Text. Woher nimmt die KI dann die Vorlage?

Das fragte sich auch die Twitter-Nutzerin »Supercomposite« aus Uppsala in Schweden. Sie befahl einem Text-zu-Bild-Generator, ein Bild zu zeichnen, das so wenig wie möglich mit dem Schauspieler Marlon Brando zu tun haben sollte. Das Ergebnis: ein Logo mit den Konturen einer Burg und dem Schriftzug »Digita Pntics«. Dann versuchte sie wiederum, mit dem Gegenteil des Logos, den Schauspieler zu erzeugen. Ein Experiment, das fehlschlug. Anstelle von Marlon Brando erzeugte die KI düstere Bilder einer Frau mit roten Backen, die in maroden Räumen sitzt, in denen sich die Tapete von der Wand schält und der Putz bröckelt. »Loab« nannte »Supercomposite« die Figur, weil in einem der Bilder auch ein paar Wörter zu sehen sind, darunter links oben »loab«.

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Die Twitter-Nutzerin bezeichnet das Ergebnis als Foto mit einer »am Boden zerstört aussehenden älteren Frau mit ausgeprägten Dreiecken von Rosazea (?) auf den Wangen«. Darauf folgt eine ganze Reihe mit Bildern, die teilweise ziemlich verstörend wirken und blutige Szenen mit Loab zeigen. »Supercomposite«, die anonym bleiben möchte, teilt in einer Nachricht an den SPIEGEL mit, dass sie die Vorlage für Loab nicht kenne. Die Schwedin geht jedoch davon aus, dass die KI auf »Bilder aus Horrorfilmen« zugreife.

Daran stören sich einige Nutzerinnen und Nutzer. Der Vorwurf: Die Gruselbilder würden Menschen mit der Hauterkrankung Rosazea als schaurig abstempeln, nur weil die entzündeten Hautstellen im Gesicht gerötet sind. Eine Twitter-Nutzerin schreibt: »Wenn man eine KI bittet, Grausamkeiten mit Bildern älterer Frauen zu vermischen, die an häufig auftretenden Krankheiten leiden, dann gratuliere ich, dass man Behinderungen für billige klickbare Creepypasta-Inhalte stigmatisiert.« Eine andere Nutzerin pflichtet ihr bei und schreibt, dass der KI beigebracht werde, Menschen als gruselig und böse zu brandmarken, die von der Norm abweichen.

»Supercomposite« entgegnet, dass sie Loab lediglich entdeckt habe. »Wenn sie (die KI – Anm. der Redaktion) Behinderungen und Hautkrankheiten als Horror stigmatisiert, dann ist das eine soziale Verzerrung in den Daten, die das Modell aufgreift.« Loab sei nicht aufgrund ihrer Hautfarbe unheimlich, das sei nur eines der Merkmale, die normalerweise in den Bildern auftauchten.

Rechenfehler generieren Gruseleffekte

Die Horrorbilder von Loab hält Joscha Berg schlicht für einen Softwarepatzer. »Das ist ein technischer Fehler«, sagt der Leiter des KI-Labors an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach dem SPIEGEL. »Die Modelle (verkürzt gesagt Teile der KI – Anm. der Redaktion) sind einfach noch nicht perfekt.« Die Software verarbeite das Gegenteil eines Bildes anders als Menschen. Ansonsten müsste eben Marlon Brando das Ergebnis sein.

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»KI ist keine Hexerei«, sagt Berg. Hinter den rätselhaften Kreaturen steckt also keine Software mit einer Vorliebe für Gruseleffekte. Die Horrorbilder seien lediglich die Folge von Berechnungen. Bei Loab führt der Forscher die düstere Optik vor allem auf Bilder zurück, mit denen die KI gefüttert wurde. »Das Modell wurde mit Daten aus dem Internet trainiert und da gibt es eben viel Gruselmaterial.«

Auch beim Crungus hält Monstermacher Guy Kelly einen Fehler für die wahrscheinlichste Erklärung. Der Krampus scheidet als Vorlage jedenfalls recht schnell aus. Obwohl die gehörnte Sagengestalt aus dem Alpenraum ähnlich heißt und seine Maske fast gleich aussieht, liefert der Begriff »Krampus« in Craiyon komplett andere Bilder.

Kelly gibt scherzhaft zu bedenken, dass es sich also durchaus um ein echtes Monster handeln könnte, »das sich in den Ritzen der Realität versteckt hielt, bis ich es dummerweise in unsere Welt gebracht habe«. Doch der Comedian schreibt in einer E-Mail an den SPIEGEL, es sei wahrscheinlicher, dass die Thrash-Metal-Band Gwar den Crungus inspiriert hat. Der im Jahr 2014 gestorbene Sänger der Band trat unter dem Pseudonym Oderus Urungus auf und trug ein Kostüm, das mit Fratze, Falten und Bauchmuskeln stark an die KI-Kreatur erinnert.

»Loab« und »Crungus«: Woher kommen die KI-Monster in Craiyon? (4)

Das hält auch Joscha Berg für wahrscheinlich. Der Buchstabendreher sei vermutlich auch deswegen passiert, weil die Text-zu-Bild-Generatoren mit dem sogenannten Byte-Pair-Encoding keine ganzen Wörter übersetzten, sondern einzelne Buchstabenfolgen. Bei der Suche nach Wortfetzen ist dann vermutlich aus Urungus der Crungus geworden.

Doch wer ist denn nun der Erfinder des Crungus? »Ich glaube, ich habe Crungus in die Welt gesetzt, aber ich weiß nicht, ob ich mich wohl damit fühlen würde zu sagen, dass ich sein Schöpfer im künstlerischen Sinne bin«, schreibt Kelly.

Auch die Kunstwelt hat darauf keine eindeutige Antwort. »Crungus hat viele Urheber«, sagt KI-Experte Joscha Berg. Neben Guy Kelly, der das Wort eingegeben hat, haben demnach auch Software-Entwickler und Fotografen ihren Anteil daran, die Bilder vom Gwar-Sänger geschossen haben. Selbst völlig unbeteiligte Bilder aus der Trainingsdatenbank haben das Ergebnis beeinflusst. Dennoch sind die Gruselfiguren viel mehr als nur eine Kopie der Sängerfotos. »Crungus ist von Menschen geschaffen, also ist er auch ein eigenes Werk«, sagt Berg.

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Author: Kareem Mueller DO

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